• 09 • UNVERGESSENES KISCHKER
- 9.1 Kischker
- 9.2 Kischkerer Mundart ***
- 9.3 Aus Kischker
- 9.4 Ich wees e Darf
- 9.5 Sitten & Gebräuche im Jahresablauf
- 9.6 Sitten & Gebräuche im Lebenslauf
Einzelne Kapitel aus dem Buch
UNVERGESSENES KISCHKER
Herausgegeben von Johann Lorenz D. J. 1960 u. 1980
Die Donau fließt heute noch, wie immer.
9.1 KISCHKER Von Heinrich Schmidt
Dort unten im Mündungsgebiet der Theiß, wo der Kanal die Donau mit der Theiß verbindet, liegt die Batschka. Wie von einem Ellenbogen umgriffen, wird die Batschka vom Westen und Süden von der Donau begrenzt und auch oftmals überschwemmt. Es ist das Land der heißen und langen Sommertage, so lang, daß der Bauer sich am Abend noch kaum mehr erinnert an das, was er am Morgen zuerst getan hat. Früh steht er auf und spät geht er zu Bette; vielleicht nirgends in der Welt wurde so viel gearbeitet wie dort.
Seit Jahrhunderten ist es ein umstrittenes Land.
Viele Fremde haben es besucht; haben sich an den Früchten seines Bodens satt gegessen. Wo noch sonst gibt es ein Neuwerbaß, Sekitsch, Sentiwan, Hodschag und ein Kischker?
Wer hat sie schon mehr gesehen: die Melonen, den Mais, den Weizen und den Hanf? Wo gibt es noch so große Dörfer, so weit und frei in den Raum gebettet, wie da? Mit ihren schnurgeraden Maulbeer-, Akazien- und Kastanien-Alleen. Blitzblanke Giebelhäuser, mit frischem Kalk- und Farbstrich, wechseln mit den schönsten Frontal- und wellenartigen Gartenhäusern ab. Und das alles auf einem so unbeengten und weiten Raum, als hätte das Land kein Ende. Kein Berg und selten ein Wald wehrt dem Auge seinen Blick.
Fast ein Dutzend Nationen sind dort zu Hause. Neben abendländisch-europäischer Kultur findet man auch orientalische Art. Jedem wird beim Betreten des Dorfes sofort klar, welcher Nation diese Bewohner angehören, das eine ist sauber und freundlich, mit hohen und schlanken Kirchtürmen, gepflegte Häuser und Gärten. In einem anderen Ort werden farbige Häuserfronten bevorzugt, und man ist in manchen Dingen nicht so pedantisch genau wie in den deutschen Dörfern.
Nie wirkt eine Frau dort in Haus und Hof knechtisch. Nie ging sie mit schmutzigen und zerrissenen Kleidern unter die Menschen. Sie hütet ihr Heim in peinlicher Sauberkeit. schneeweiße Gardinen, Blumentöpfe hinter den Fensterscheiben. Auch die Vorhöfe der Bauern schmückten Blumen- und Rebengirlanden. Mistgruben, Alteisen auf der Straße oder vor den Haustüren findet man dort nicht.
In Mode und Kleidung war man dort etwas zurück. Dafür legte man mehr Wert auf die Qualität der Stoffe und auf die Nahrung. Brotlaibe sind dort ein Unikum. Wer kennt sie mit ihrer glänzenden Kruste, ihrem Geruch und Geschmack! Wer kennt die vielen Kuchensorten, die würzigen Speisen! - die so mannigfaltig sind wie die Frucht des Bodens. Ja wer sie kennt, wird sich immer wieder danach sehnen.
Wer kennt die „Fata Morgana“, den Luftspiegel der Tiefebene? In säuselnder Luft, die von gleißenden Strahlen der Sonne erwärmt ist, sieht man ganze Dörfer und Landstriche doppelt. Es sieht aus, als stehe die Landschaft auf einem großen Spiegel, in dem sie sich selbst beschaut. Dem Fremden bleibt so ein Tiefebene-Panorama in steter Erinnerung. Der Ungar sagt „Délibab“ und besingt sie in seinen Heimat- und Heldenliedern.
Mechanisierte Wirtschaften gab es dort wenige, Weil das Land keine Industrie hatte. Seine Fabriken waren Zucker-, Spiritus-, Hanf- und Seidenfabriken, solche, die die Landesprodukte verarbeiteten. Es gibt hier kein Holz und keine Kohle, und eben darum ist der Mensch dort naturverbundener. Aus all seinem Schaffen tritt sein freimütiges Wesen hervor. Die Ausstattung in den Häusern und Höfen ist auf das Zweckmäßige ausgerichtet. Keine Phantasie, keine Übertreibung. Dem oberflächlichen Beobachter mögen die Menschen einfach und bescheiden erscheinen, dem Forscher aber wie stille Wasser, die tief und reich an Schätzen sind.
Erst in der Fremde, in die uns ein unseliges Schicksal verschlagen hat, haben wir den Wert dieser Heimat richtig schätzen gelernt.
9.2 KISCHKERNER MUNDART
Die Kischkerner Mundart hat sich einige Jahre nach der Ansiedlung aus dem Pfälzischen, Rheinhessischen, Elsässischen, Badischen und Württembergischen herausgebildet, da die Ansiedler zum größten Teil aus diesen Gebieten stammten. Den größten Einfluß auf die Kischkerner Mundart hatte der pfälzische und elsässische Dialekt.
Einige Wörter (Wärder) in Kischkernerisch:
ach wo! - iwo!
Abendgruß - Gunowed
abmühen - abrackre
abschätzend - absiehn
ablehnen - abschlaa
abkratzen - plicke
achten - äschtemeere
atmen - Ochtm scheppe
Ameise - Emetz'e
angreifen - d´wedr
andersrum - anrschtrum
Appetit - Guschte
Apotheker - Giftmischr
arg-weh - aarich weeh
Ast - Nascht
ausgeglichen, fertig - quitt
Aussteuer - Stafier
o weh (Ausruf) - o jemineh
auflegen - ufflee
aufgeregt - stawellisch
Ähren nachlesen - stopple
ärgern - ärjere
ängstigen - vegelschtre
Backblech - Debs
Backrohr - Reer
Bauch - Pantz
barhaupt - bloßkeppich
Besuch machen - Meije gehn
Beerdigung - Leicht
Beule - Knuppr
besuchen - meije
Besen - Besm
Besitz - V`mee
bereden - dischkreere
betteln - fechte
beeilen - tummle
bleich - käsich
Blase - Blouder
Brotkrümmel - Brosm
Brotkruste - Karscht
Bindfaden strcker - Spugood
bunt - scheckich
Chr.-Baumschmuck - Salonzucker
Circa, ungefähr - stickr
damals - sellemols
daheim - D´heem
wird dunkel - s`werd duschtr
Zimmer-Decke - Plafond
Dill - Gummrekreitche
drängen - driwleere
Dorf - Darf
Dummkopf - Tappschädl
Dunstpulver - Salicyl
ebensowenig - ewesowenich
Einkaufskorb - Zöger
Eingemachtes Obst - Dunscht
einreiben - inreiwe
Enkelkinder - Englche
Eis - Sladelet
Eisbein - Hees
eintauchen - tunge
Essen - Koscht
Ende - En
Ente - Gatsch
einheizen - inscheere
Fahrrad - Bizigl
Fahrkarte lochen - kneppe
falsch herum - letz rum
Falte - Kräch
Federbett - Bettziech
Fensterchen - Gucklechlche
Flanell - Barchet
Furie - Fuchtl
flüstern - pischb're
Fliege - Mick
Fohlen - Hitschje
fotografieren - abnemme
fortlaufen - witsche
Freund - Barsch
Freundin - s`Mensch
Friedhof - Kerchhouf
Friseur - Ballweerer
frech antworten - batzich
früh morgens - friehmorjets
fürchten - gelschtre
gaffen, horche - Lure
Gabel - Gawl
Gänseblümchen - Hemdrkneppche
Gebäck a. Walnüssen - Muschkazouncher
Gemarkungsgrenze - Scheed
Gehweg - Trottwar
Gemeindehaus - G'menhaus
genau - akerood
Genick - Gnack
gehn m`r ??? - hejdi
Gesindel - Bagasch
Gäste - Gäscht
Gespräch - Dischgarsch
Gestrickte Hausschuhe - Batschk”re
gewesen - gwen
geschimpft - gscholl
Glatze - Blottkopp
grellrot - ficklfaklfeirichrot
Großmutter - Mottr
Gurken - Gumre
guten Tag - Guntach
haben - han
Hagebutte - Arschkitzlr
Händler - Sensar
Hahn - Kokorosch
hageln - schloßt
Handschuh - Hänsching
Hausschuhe - Batschkre
Hände große - Bratze
Hefeteig in Fett geback - Hebhankuche
hin und her - riwer un niwer
hochnäsig - hochgstoch
Holzschuhe - Klumpe
Holzspan - Schliwr
Hosenträger - Galje
Huhn - Hink´l
humpeln - hikle
immer wieder - all”rid
jammern, stöhnen - kräkse
Jasager - Schnappr
Johannisbeere - Riwissl
Kahn - Tschinagl
Kahlkopf - Plottkopp
Kamm - Streel
Kandiszucker - Kanzlzuckr
Karussell - Ringlspiel
Kartoffel - Grumbeer
Kartoffelbrei - Grumbeerestampfes
Kastanien - Keschd”e
Kehrrichtschaufel - Dreckschäiflche
Kindergarten - Owida
Kinderwagen - Gotschi
Kinderwiege - Waal
Kino - Mossi
Kirche - Kerch
klagen, jammern - lameteere
Klappmesser - Ulack”r
kleben - picke
Kleidung wechseln - abstrippe
Kleiner Topf - Heebche
kleiner Junge - Krutze
klettern - kratle
Krautwickel - Sarmen
körperliche Durchs.-ung - ausfıssle
Koffer - Kupfr
komisch - g”schpasich
Korken - Stoppr
Kuchenblech - Depps
Kuheuter - Dittz
Kuß - Schmuz
Kummer - Gfrett
Lakritze - Bäredreck
langsam - schtaad
lauern, horchen - luhre
lauwarm - lolich
lau schmeckend - abgstann
lärmen - jachte
Lebensmittelgeschàft - Gwelb
Leiter - Letr
Liebschaft - Techtlmächtl
links - letz
Lippe - Lefz
Löwenzahn - Bettbrunzr - Seechblum
lutschen - abzugle
Marmelade - Schneckl
Mais - Kukuruz
Maistrockner - Tschardak
Maiskolben abgerebelt - Butze
Maiskolbenlaub - Stripplaab
Maisstoppel - Storze
Marmelade - Schneckl
Männerunterhose - Gadjre
Metzger - Fleischhackr
meinen, meiste - meehnscht
meint ihr - meehnr
Milch - Milich
Mohn - Masam'e
Moralpredigt halten - Lewite lese
Morgengruß - Gunmorje
Murmel - Klickr
Mund - Schnawwel, Maul
Mut _ Kurasch
Mundausschlag - ausg´fahrn´s Maul
Nacken - Gnack
nackt - nackich
Nase putzen - schneitze
Nähgarn - Neetz
Nebel - Newl
nicht mehr hier - nimmi do
Nikolaus, Pelznickl - Bokeraz
nirgendwo - nerjets
Nudelholz - Weljerholz
Nockerl - Flutte
nörgeln - knewre
Onkel - Vedder
ohne Kopfbedeckung - blouskeppich
Pfannkuchen - Palatschinken
Pfanne - Topf - Rein
Pferd - Roß
pflegen - pepple
Pflug - Bluck
Photograph - Abnemmer
Plauschen treffen - Maje-gehn
prahlen - strunze
Popcorn - Platschkukuruz
quietschen - gärgse
quälen,sekkieren - zwiwle
Quitten - Kitte
Räuber - Logosch
rasch, geschickt - fiks
rasieren - balweere
Rechtsanwalt - Affekat
reden über - dischkreere
redegewand - maulfertich
regnet - s reent
Regenschirm - Reescherm (Parblee)
Regenwetter - Suttlwetter
Regal - Stellasch
Respekt - Moures
Reibeisen - Rewweise
räuchern - sellchen
ringsum - kringlrum
rummachen - rumbokreidle
Rosinen - Ziwewe
Röstbrot - Peebrot
Rizinus - Stratzbohn
Rücken - Buckl
Sakko - Reckl
Sau - Wutz
Schaukel - Gauntschl
Scheidung - Scheede
schief - schepp
sehr - arich
Serben - Rootze
Säugling - Titzkinn
schief - schepp
Schabernack - Bosse
Schluckauf - Schlicksr
Schnabel - Schnawl
Schnaken - Gelze
schnarchen - schnarkse
schneit - s schneet
Schnuller - Ludl - Nuckl
Schnürsenkel - Schuhbenl
schreien - kreischen
Schreier - Krischr
Schubkarren - Drickkarch
Schürze - Schartz
Schilfinsel - Katscheschiff
Sonne - Sunn
Sofa - Diwan
so was - schunscht
sowieso - ee
sonst - sunscht
Spaten - Schipp
Spitztüte - Schtanitzel
Splitter - Schliwr
spucken - spautze
Stachelbeeren - Agrassle
Stiefel - Zischm`e
Stier - Wicke
Storch - Schtark
Sturm - Schtarm
Strolch - Bitangr
streicheln - dätschle
Suppengrün - Grienzeich
Tabak - Tuwak
Tante - Beesl
Taufe - Deef
Taugenichts - Newalje, Schlawiner
Teufel - Deiwl
Trauung - Copleert
Trauzeuge - Beistand
trocken - drickle
trotzdem, gerade - juschtament
Truthahn - Bockl´che
Tüte - Tutt
Tüte - Schtanitzl
Tüpfelchen - Thipplche
Türklinke - Schlenk
Tropfen regnet - s`drebst
Topf - Hawe
Topf ??? - Rein
Turnhemd - Ducks'r
Uhrenpendel - Perpendikl
ungezogen - nessrettche
ungeschickt - tappich
unhöflich - unghowlt
Unordnung - Kramasch
Unnütziger - Nixnutz
unschön, abgenutzt - schäwich
unwohl - schwumrich
untereinander - unrnanr
Ulk - Schawernack
Übertreiber - Arichmachr
Vater - Dade
Verlobung - Handstrech
versteckt schauen - giggle
verleumden - dorchnanrhechle
verkleiden, ankleiden - muschtre
versichern - assakreere
viel reden - stawelle
vor kurzem - letschthin
wach - wackrich
Waschschüssel - Lawuur
Weihnachtsbaumzucker - Salonzuckr
Weste - Leiwl
werfen - schucke
weinerlich reden - jaunre
Wiese - Hutweed
Wochenmarkt - Bijaz
wohin gegangen - anne gang
weißen - weißle
Wollknäul - Klingl
Zimmerdecke - Plafon
Zeh kleiner - Zeebche
Zehe - Zeewe
zeigen - weise
zwicken - petze
zittern - dattre
zuwieder, link - eebsch
Zündholz - Reibhelzche
Zwetschken - Quetschen
Zucker m. Schnaps abbrennen - Krambambl
Zwetschken - Quetschen
Zwirn - Neez
Zwei kurze Geschichten als Leseprobe:
Im ]ahre 1942 hat sich am Kischkerner artesischen Brunnen folgendes Gespräch zugetragen:
Guntach Kättelsgot! A”ach guntach Gretche, bischt d”aa do? Muscht Du heit°s Wasser heem hole? A`najo, e'ns muß es halt jo mache. Gelle, ich wollt eich mol was fro'e; is des Wo”r, daß eier Kättelche e'kleenes Kind griet hott? A”najo, aach des is so e”liewes Kind, des sieht grad wie sei Dad'e aus. ]a Kättelsgot, ich han g'mehnt es is e'Mädche, a'najo, e'Mädche is es schunn. Gelle ja, wann wärd dann des Kleen g'deeft? Aach ich mee'n acht Tag vor unser'e Keıwei.
Gelle, därf mer schunn wiss”e wie des kle'n Kind he'se wärd? Aach wescht Gretche des kann ich de”r net so sa°e, des is e”ner vun denn'e neimodische Name, denn'e v°gess ich jo immer.
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D'e Peterspat un d'e Grischanspat sin mitnann´r mit d'm Zug uff Neusatz in die Ross- un Kuhausstellung g'fahr. An demm Marjed hotts grad so a'rich g”rend un d Grischanspat hott sei alti lechriche Barblee d'bei kat. Uff die Fro vum Peterspat, warum er sei alti Barblee mitg'numm hott, sat d Grischanspat:
„Aach ich hann halt g'dengt far des Suttlwetter is die lechrich Barblee gut g'nung.”
9.3 AUS KISCHKER
Von Karoline Hartmann, geb. Falkenstein *1920 † 2024
So scheen wie ich se b´schreib, war se a in Werklichkeit, die Batschka. Net vergew´ns hot mer g'saat, des Land, wo Milch un Honich fließt. Doch die schenscht Artschaft in dere Batschka war mei Heimatdorf Kischker. Wan do mol e Fremder e rin kum is - der is so g'schWind nimi fartgang”, un wan emol ener was Schlechtes g`saat hot üwer Kischker oder üwer die Kischkerer, der hot`s ne nere aus Neid no gered”. Die Bewohner vum südliche Nochbarsdorf, die han uns als so e'bißche üwer die Schultere angschaut, sie han jo a' zum Neusatzer Kreis g`hört, un Neusatz War doch die Metropole vun d`Batschka. Außerdem han se e`Bad ghat, wo die Stadler als ab'gstie sin; un mehr han halt sowas net ghat.
Unser nördliches Nochbarsdorf des war bereits e' Stadt. Daß die uns nimmi angschaut han, war enerseits ke' Wunner; die han halt e` Bürgerschul ghat un sogar e' Gymnasium, und do hots halt viel intelligende Leut ghat; awer mer Kischkerer han des net nötich ghat un außerdem hätt es nimmi viel g`nutzt, denn die Kischkerer Baure han schun an ihre Balisade g'ackert.
Anschunschte ware mer die Kischkerer Käskuchepetzer, un uf dene Name ware mer stolz, Weil e' guter Käskuche hot mehr nerre in Kischker gess. Daß mer in Kischker gut gschlacht und d`bescht Brotwarscht gemacht han, is b'sonders zu erwähne, den darch de Brotwarscht ware mer Kischkerer jo bekannt von Budapescht bis uf Schkopje nunner.
Weil mehr jetzt grad beim Brotwarscht sin, will ich noch e, Begeweheit aus meiner Jugendzeit erwähne. Nämlich de Männerg`sangsverein hot jedes ]ohr uf Weihnachte e' Gränzche gemacht und do han mehr immer mit g'schpielt. Beim Philippspat, beim Obmann, han mehr geprobt bis 14 Tag vor Weihnachte, no sin mehr ins Wertshaus uf die Bühne gang. Wie mer not emol owets so uf de Bühne g”probt han, ist de Adamspat kumm un hot g`saat, de Obmann hot heut g'schlacht, er werre doch a`spieße gehn? Un v'gesse nerre net die Sarme, die Roselsgoth macht se gar gut. Un schun wars aus mit em Probe far dene Owet. De He'nrich hot de Spießzettel g'schrieb un alles hot g`holf zammestelle: „Guten owed, er Schlachtersleut un all die er hier beisamme seid! Mer han gehört, er hätte g'schlacht un hättet so guter Warscht gemacht. De Hausherr mit de lange Nas”, der schaut so gerre ins Weinglas, die Hausfrau mit de große Schlappe, die tut des ganze Haus aus tappe, doch die Zeit ist knapp, mer Wolle ”s karz mache, gewe uns was vun eure viele Sache, tun uns viel Warscht in unser Kerbche nin, mer wolle auch a' recht dankbar sin, Rippcher, Zelleriesalat un Gummere vergesset nicht, den des ist em He'nrich sei Leibgericht, gewe uns a`Brot, mer sin doch arm, un far de Adamspat a en Sarm; tun uns unser Kannte mit Wein voll fülle, daß mer kenne unser Darscht a`schtille. Stelle uns alles schön vor die Tür un von ganzem Herzen danke mer.“ Not han zwe Mann en großes Kerbchen un en Kannte gnumm un han's beim Philipps-pat vor die Tür g´schtellt, not han sie hinner em Peiler g'wart. Es hot a net lang g`dauert un alles hot g,füllt vor de Tür g'stan. G'schwind han se alles zamme g'packt un sin kumm damit. Not han mer gleich de' Tisch g'deckt, gess', g'trunk” un gsung, wie no alles war un de Wein all gtrunk war, hot de He'nrich noch die Warschtschwarte geß' um en Liter Wein, un so han mehr recht lang beinanner gsotz - zum Schluß han mer als am Tärche die Schuh aus g`zo, daß mer net v'scholl sin war. Ja des war so en scheener Owed wie ,s d`heem in Kischker viel geb hot un wo mer heut noch gere zurück denke dran, mer kennt noch viel schreiwe vun Oweds bei de Mad' wie 's doch als luschtich zu gang, ist, wan die Buwe es Licht aus g'bloßt han un als es Lampeglas g'broch ist oder wan se de' Mad” die Schlappe v`stecklt han usw.
Des ware halt Zeite, die nimme kumme, un drumm sa' ich ”s, daß es alle lese un höre: Halle unser scheenes Kischker un unser scheene alte Sitt in Ehr”.
9.4 Ich weeß e Darf von Lehrer Jakob Weimann, Werbaß
Ich weeß e Darf, des is net weit,
Dart wohne laudr deitsche Leit;
Sei Nome, - na, wie heeßt's dann gschwind?
Des weeß doch schun e jedes Kind!
]e! - „Batschko-Dobropolje“ heeßt's!
Mer redt davun, - mer heerts, mer leests,
Daß dort so viel Begeischtrung wär
Far unserm Volk sei Sprooch und Ehr.
Besonders jetzt im Jubeljohr
Do schallt es mächtich laut im Chor
Des Lied vun dere Siedlungszeit
Bei dene Dobropoljer Leit!
Drum han ich mich mol karz entschloss'
Un han mich gsetzt ufs Autoroß,
Bin gfahr dann oweds gar so scheen
In diese reine deitsche Gmeen. -
Un als ich darte on bin kumm,
- die Zeit war so um siwwe rum -,
Ich weeß do net wohin - wornaus!
Beim Herrschaftswertshaus stei ich aus,
Wie war ich do gleich iwerrascht
In so eem Haus als fremder Gascht;
Mer wars, ich wär versetzt do wor'
Zurick vor hunnertfufzich ]ohr!
Ich schau mr mol den Raum do on,
Die niedre Wänd bis zum Plafon,
Den scheene Teerstock in d Wand,
Die Tisch” un Bänk un allerhand. -
Des Haus hat gsiehn die Siedlungszeit
Un alle Gschlechter bis uf heit;
So manches Paar mit Strauß und Kranz
War glicklich do beim Hochzeitstanz.
Un wer is jetzt im Saal do hinn?
Paar Baure, Herre un - viel Kinn;
Die Wertsleit sin - un so is recht -
Vum unverfälschte Bauregschlecht.
Zwee Jungemänner han e Freed,
Weil ich e Vortrag halle tät;
Ich will schun gehn; sie saan: „Ach nee,
mer trinke ender noch e Thee“ -
Die Wertin meent: „Na, hocken eich,
Ich bring d Thee allsogleich!“
Mer setze uns dann zu de Kinn
Am lange Tisch do neewe hin, -
]etzt merk ich, dart im Stuwe-Eck
Is zugehängt mit Tuch e Fleck
So hoch un breet, daß grad e Mann
Dehinner sich versteckle kann.
Do tu ich mol e Medche froo:
„Was suche dann ehr Kinner do?“ -
Gleich schwätzt e annres neewedron:
„Ei, s Kaspertheatr schau mr on“ -
D Wert, der bringt d Männer Wein;
Die plaudere, - er schenkt ne ein,
Sie stoße on, un trinke aus
Do in dem alte Herrschaftshaus, -
Am annre Tisch, dart werd gekaart,
An Kontra werd do aa net g°spart;
Beim Ausschank trinke zwee Schafär,
Die sin grad kumm vun Werwaß her.
Die Wertsfraa bringt uns unsre Thee,
Japanisch sin die Schälcher, - hee!
Do is aa alles blank un rein,
Un aa d Thee schmeckt wunnerfein! -
Ob schun vor hunnertfufzich ]ohr
So gudr Thee getrunk is wor?!
Doch des is sicher, - un ich wett:
Japanisch war do s Schälche net!
Des Haus do hat d`i'e Zeit gekennt,
Wo s Poozelicht noch hat gebrennt,
Mit Stroh ist gscheert wor dazumal
D Owe do im Herrschaftssaal.
Jetzt is die Heizung hochmodern,
verschwunn is aa die Öllatern,
Do hat mr heit elektrisch Licht!
e Biljardtisch is ingericht'!
Zwee Herre mit modernem Rock,
Die stoße mit dem Biljardstock;
Die Kinner hocke scheen in Ruh
Und schaue do dem Treiwe zu,
Am liebschte hätt ich aa do gschaut,
Wo s Puppentheatr is ufgebaut,
Doch noh dem Thee hats g'heeß: jetzt naus
Zum Vortrag dart ins „Lutherhaus“!
Do hamr scheen uns unnerhallAn Reime un an Liederschall;
Un wie dann des voriwer war
Zurick bin ich uf Werwaß gfahr. -
Der Ausflug war mr doch e Freed,
Er tut mr werklich aa net leedl
Ich saa die Wohrheit, wann ich men:
Ich wollt schun immer zu Eich gehn!
Als Kind han ich Eich oft beneidt
Eich batschko-dobropoljer Leit!
Ehr han vun jeher - wie mr weeß -
D beschte Kuche, doch mit Käs!
In Werwaß werd so rumgeschwätztz
Der Kuche werd bei Eich „gepetzt“!
Ach, sein uns deshalb doch net bees
Wee Eirem Kuche do mit Käs!
Ehr wisse doch, wie „iwergscheit“
In Werwaß sin die pälzer Leit,
Die han doch immer was im Schild
Un sin „gar arich ingebildt“!
Doch so e Darf wie Eires is,
Des muß mr suche - ganz gewiß!
Do herrscht in allem Eenichkeit,
So friedlich sin bei Eich die Leit!
Ehr han ee Glauwe un ee Sprooch,
Ee Kerchtharm so schlank un hoch,
Die selwe Sitte un Gebrauch;
Mer Werwaßer beneide Eich!
Un aa e großer Sproochelärm,
Verschiedne Klasse, Zank un Streit;
Mer sin doch in d Bildung weit!
Drum werd aa Werwaß - wie bekannt -
Als „Kulturzentrum“ oft genannt;
Doch, Eier Darf, - so will s der Reim -
Des mißt doch heeße „Einichheim“!
So bleiwn eenich fart un fart
Im deutsche Geischt, im deitsche Wart!
Un han eich do mei Reime gfall,
So grieß ich eich zum Schluß noch all!Und Heil dem teuren Vaterland.
Ich wünsch euch Glück zum neuen Jahr!
Das neue Jahr klopft bei uns an
Und ruft: nur immer aufgetan!
Wir lassen es gar gern herein
Und wünschen: mag's ein gutes sein.
Mag es vom guten Gott gesandt
Euch segnen mit gar guter Hand,
Mit Glück, Gesundheit, Wohlergehen,
Mit Licht und Trost aus Himmelshöh.
Meines jungen Herzens Liebe
Segne euch das neue Jahr.
Nur einen kleinen Wunsch bring ich euch dar;
Das wünsch ich euch zum neuen Jahr!
”s kommt so kleener dickr Mann,
Er winscht eich alles, was'r kann,
Er winscht eich ee goldner Tisch,
An jedem Eck ee gebackner Fisch,
In der midde ee gut”s Glas Wein:
Do kann de Herr und Frau lustig sein.
Brotwerscht wie Tannebeem,
Schwartemaa wie Grundloch
Un viel an'res noch;
Viel Gesundheit un langes Lewe,
Jetzt könnt ihr mir mei Geld schun gewe,
Ich will jetzt nimmer lang stehn,
Ich muß ein Haus weiter gehn.
's kommt so e kleener Kennich,
Gebt m,r net so wenig,
Loßt mich net so lang do stehn,
Ich will um e Haus weitergehn.
9.5 SITTEN UND GEBRÄUCHE IM JAHRESABLAUF
Durch den 1. Weltkrieg und die darauf folgende Zeit ist mancherlei von dem Brauchtum in Kischker verloren gegangen - sei es, daß diese und jene Sitten von der serbischen Behörde als staatsgefährlich verboten wurden, oder sei es, daß man mit der Zeit mitgehen wollte. Es blieb aber doch noch sehr vieles erhalten, das hier dargestellt werden soll.
Neujahr war ein Festtag und wurde mit recht viel Lärm eingeleitet. Bereits am Sylvesterabend versammelten sich die jungen Burschen gruppenweise in den Gaststätten, Wo sie bei Musik und Unterhaltung den Jahreswechsel erwarteten. Punkt zwölf Uhr läuteten alle Glocken vom Kirchturm das Neujahr ein. Danach verließen die Gruppen mit Musik die Gasthäuser, um allen bekannten Mädchen ihre Wünsche zu übermitteln. So zogen sie von Straße zu Straße durch das Dorf, was den ganzen Tag über andauerte. Da aber jegliches Schießen verboten war, knallte man mit Peitschen in den Gassen herum und schlug mit Besen und Stöcken gegen die Hoftore.
In den Häusern der Mädchen wurden für die „Winscher“ gute Vorbereitungen getroffen. Nachdem alle Wünsche vorgebracht waren, wurde zu Tisch geladen. Die Tische waren in jedem Haus reichlich gedeckt. Da bereits zu dieser Zeit schon geschlachtet war, gab es Wurst, Wein und vielerlei Gebäck. Dazu spielte die Musik, und bei guter Laune sowie auch bei einigen Tänzen unterhielt man sich. Beim Weggehen schenkten die Mädchen den Burschen schöne bunte Seidenbänder (Schlippcher), die an den Stock, den Hut oder an die Brust geheftet wurden. So kam es, daß die Burschen mit ihren Gruppen bis zu vierzig Mädchen besuchten, um recht viele dieser bunten Bänder zu sammeln. Da es viele solcher Gruppen gab, wurden alle Mädchen aufgesucht, an einem Neujahrstag von über 20 Gruppen. Es war ein besonderer Stolz eines Mädels, wenn recht viele Gruppen bei ihr gegessen und getrunken hatten.
Doch auch die verheirateten Männer feierten. Sie sammelten sich meistens aus einer Straßenecke und gingen von einer Stelle zur anderen, so dass man bei allen Bekannten vorbeikam, um ihnen seine Wünsche persönlich zu übermitteln.
Auch für die Schulkinder war es ein schönes Ereignis. Jedes Kind hatte für diesen Tag einen schönen Wunsch gelernt. Schon am frühen Morgen ging es los. Angefangen wurde bei den Nachbarn; alle Onkeln, Tanten und die näheren Verwandten mußten aufgesucht werden, wenn sie auch noch so weit weg wohnten. Die Kinder sagten überall ihren Neujahrswunsch auf und erhielten dafür ein Geldstück. Das lockte natürlich die Kinder sehr und es wurden so viele Häuser wie möglich aufgesucht.
Es gab allerlei ernste und heitere Wünsche, von denen einige erwähnt seien:
Mit Freud, ihr Leut„ ich stell mich vor,
Nimmt meinen schönen Gruß zuvor,
Erlaubt, dass ich zum neuen Jahr
Euch bringe meinen Glückwunsch dar.
Mög allen Menschen, groß und klein,
viel Schönes d”rinn beschieden sein,
Im Lenz ein schimmernd Blütenmeer,
Darauf ein Sommer warm und labend.
Ein reicher Herbst, von Früchten schwer,
Dazu am langen Winterabend
Ein warmes Stübchen, wo sich”s friedlich wohnt,
Von Glück erhellt, von Lieb' durchsonnt.
Glück und Gedeihen jedem Stand.
In der Zeit nach Neujahr, in der in unserem bäuerlichen Dorf weniger Arbeit war, war die beste Gelegenheit, der Verwandtschaft und den alten Freundinnen einen ausgedehnten Besuch abzustatten, bei uns „Maje“ genannt. Zeitgemäß war meistens alles eingeschneit, und so spannte man die Roß in den Schlitten und fuhr möglichst auf Umwegen, damit auch die Pferde etwas ausliefen, zum Maje. Es war auch die beste Gelegenheit, sich über Vergangenes und Zukünftiges und über Neuigkeiten zu unterhalten.
Sonntags waren jedoch die „Mad“ (Mädchen) an der Reihe. Jeder „Bu“ (Bursche) spannte selbstverständlich mit dem neuen Geschirr die schön geputzte Roß ein und so fuhren sie mit Schlitten und Mädchen eine Strasse auf und die andere ab. Diejenigen Burschen, die nicht ausfuhren, stellten sich an die Kreuzungen der Strassen und warfen mit Schnee auf die voll gepackten Schlitten.
In der sonst ruhigen Zeit zwischen Weihnacht und Fastnacht wurden auch Tanzbälle veranstaltet. Bei uns einfach Ball genannt. Veranstalter waren die Gastwirte. So ein Ball war jedoch nur für Verheiratete und wurde immer werktags abgehalten, meistens dienstags oder donnerstags. Eingeladen wurde mit einem Ballzettel. Am Anfang, der allgemein auf 7 Uhr abends festgesetzt war, spielte die Blasmusik auf der „Gass“ vor dem betreffenden Gasthaus drei Musikstücke. Bei Fröhlichkeit und Tanz ging es bis zum nächsten Morgen um 6-7 Uhr. Dann wurde auf der „Gass“ „heimgespielt“. Die Größe eines Balls wurde immer nach den anwesenden Paaren gezählt. Der Feuerwehrball war einer der größten und schönsten.
In dieser Zeit war für die Jugend alle 14 Tage Sonntagstanz bis 11 Uhr abends. Es war aber üblich, daß die Gastwirte ihre Tanzmusik so aufeinander abgestellt hatten, daß jeden Sonntag Musik war.
Die Fastnacht war der Abschluß dieser turbulenten Zeit. Fastnachtdienstag war in jedem Tanzsaal Musik. Zunächst tanzte die Jugend bis 11 Uhrabends, dann waren die Verheirateten an der Reihe bis um 2 Uhr. In dieser Zeit gingen die Ledigen kameradschaftsweise zu einem Mädel, wo gemeinsam gegessen wurde. Wenn sie wieder zurückkamen, hörten die „Alte“ auf
und die „Junge“ tanzten weiter bis in die Frühe. Es war Brauch, daß die Ledigen und Verheirateten getrennt tanzten.
Im Tanzsaal hielt sich außer der Musik, den Müttern und den Tanzpaaren niemand auf. Es galt folgende Ordnung: Es stellten sich zuerst die Mütter und Tanten ein. Sie setzten sich im Saal rings herum auf eine Bank. Die Musik saß in einer Ecke auf einem Podium. Die ]ugend hielt sich in einem Nebenraum auf. Die Musik begann den „Erste“ zu spielen, worauf die Jugend paarweise zum Tanzen kam. Es wurde immer im Kreis um den Tisch herum getanzt. War ein Tanz beendet, stellten sich die Mädel eingehängt gleich einem bunten Kranz im Kreis herum vor die sitzenden Mütter. Die Mädel saßen den ganzen Abend nicht und blieben auch dann stehen, wenn sie nicht tanzten. Die Burschen stellten sich an den in der Mitte des Saales stehenden Tisch. Auf dem Tisch stand der Wein. Andere Getränke wurden weniger getrunken. Sobald die Musik wieder zu spielen anfing, holten sie sich die Mädel aus der Reihe zum Tanzen. Während eines Abends mußte jedes Mädel einmal zum Tanzen geholt werden, ansonsten gab es Beleidigungen. Die Mädchen gingen in einem Abend oft in mehrere Gasthäuser. Die Burschen hatten ihr Stammlokal. Eintritt wurde nur von den Mädchen und den Müttern erhoben. Die Burschen gaben der Musik freiwillig einen Geldbetrag, der jedoch das Vielfache von dem ausmachte, was die Mädel als Eintritt bezahlten. Getanzt wurden Walzer, Ländler, Polka, Marsch und Tango.
Zwischen Fastnacht und Ostern gab es keine Tanzmusik und auch keine Hochzeiten mit Musik.
Zu Ostern gab es für die Kinder wieder eine große Freude. War es doch Sitte, dass die Kinder bei ihren Paten, Onkeln, Tanten und Großeltern an diesem Festtage reichliche Geschenke abholen durften. Es gab neue Spielsachen und allerlei zum Naschen. Auch über die Herkunft der Ostereier wusste man Bescheid und sagte folgendes Sprüchlein:
Für die Ledigen war ab Ostermontag bis zu Pfingsten wieder alle 14 Tage Tanzmusik. In dieser Zeit wurden auch die meisten Hochzeiten abgehalten.
Am Pfingstsonntag ging man in die Kirche und war noch „Ruhig und damisch“. Am Abend wurde es jedoch lebhafter, und dem Jugenddrang war Tor und Tür geöffnet, denn an diesem Tage wurde es nicht so ernst genommen. Es war ja nur einmal im ]ahr, daß man in Haus und Hof so richtig nach Herzenslust „anstellen“ durfte. Es kam nicht selten vor, das die Burschen bei irgendeinem Bauern einen Wagen auseinander nahmen und ihn auf dem Strohschober oder dem Dachfirst zusammensetzten. In den Häusern, in denen Mädel wohnten, gab es dann allerhand zum Aufräumen.
Den Sommer über waren alle von der Feldarbeit in Anspruch genommen, deshalb gab es keine Veranstaltungen. Außer besonderen Jubiläumsfesten gab es keine Feierlichkeiten. Auch keine Tanzmusik fiel in diese Zeit. Nur sonntags traf man sich auf der Bank vor dem Haus mit den Nachbarn. Das Erntedankfest galt nur als kirchliche Feier. Es fand Ende September statt.
So nahte die „Kerweih“, das größte Fest des ]ahres. Jung und alt warteten darauf. Kirchweih war bei uns am zweiten Sonntag im Oktober, das war immer zwischen 7. und 13. Für die Frauen gab es vorher viel zu tun. Die Häuser wurden geweißelt (gekalkt) und gestrichen, Kuchen wurde gebacken. Geflügel mußte geschlachtet werden, denn es kamen oft Gäste auch aus anderen Orten. Auf dem Kirchweihplatz, der in der Mitte des Dorfes war, gab es einen großen Vergnügungspark, so daß das Kirchweihgeld öfter nachgefaßt werden mußte.
In allen Gasthäusern, die einen Saal hatten, wurde getanzt. Sonntags und montags bereits von nachmittags bis zum nächsten Morgen. Am Dienstag nochmal die ganze Nacht. Zu diesem Anlaß mußte jedes Mädel ein oder mehrere neue Kleider haben.
Nach Kirchweih war wieder alle 14 Tage Tanz bis zu Kathrein (25. November). Kathrein stellt die Musik ein, es war der letzte Tanz im Jahr.
Wenn nach der Kirchweih draußen die Felder bestellt waren und die Winterszeit begann, sammelten sich Ledige und Verheiratete in getrennten Gesellschaften. Die Frauen und Mädchen verbrachten die langen Abende bei Handarbeit, Männer und Burschen beim Kartenspiel. „Vom halwe Oktober bis im Feber“ (Lichtmeß) traf man sich in den Wohnungen der Mädel der Reihe nach bei jedem einmal.
Im November-Dezember gab es große Schlachtfeste. Jeder Haushalt schlachtete, je nach Vermögen, zwei bis vier Schweine auf einmal. Schinken, Speck und Wurst, recht gut mit Paprika gewürzt, reichten so für das ganze Jahr, und das „Gselchte“ (Geräucherte) hielt sich auch tadellos. Das Schlachten war ein großes Fest, zu dem die nächsten Verwandten eingeladen wurden, jedenfalls waren bei der „Metzelsupp“ die Tische immer voll besetzt. Am Abend gab es dann noch eine Überraschung, wenn die „Spießer“ kamen. In letzter Zeit waren es jedoch meistens nur Kinder, die sich maskiert hatten und mit einem Korb und „Spießzettel“ sich in das Schlachthaus begaben. Auf dem Spießzettel standen in Versen kleine Neckereien, die sich meistens auf die betreffenden Personen reimten.
Zum Beispiel:
De Schlachter mit de lange Nas
schaut so gern ins Weinglas.
De Hausherr mit de große Klumpe (= Holzschuh)
tut`s ganze Haus auspumpe.
Die Hausfrau mit`m rote Rock
steht vorm Spieckl (Spiegel) wie e Rosestock.
Manchmal wurde der Korb mit dem Spießzettel darin auch nur mit viel Lärm vor die Haustür gestellt. Die Hausfrau oder eine andere Person holten ihn, und der Spießzettel machte seine Runde; gefiel er, wurde der Korb mit Schlachtwaren gefüllt, war er boshaft, wurde ein Knochen oder der Schwanz hineingelegt und vor die Türe gestellt. Nun wurde gelauscht, wer wohl den Korb abholt, denn der Hauptspaß war dabei, daß man den „Spießer“ beim Abholen erkennt.
In der Adventszeit gab es Theaterabende oder „Kränzche“, die vom Kulturbund, der Jugendgruppe oder dem Gesangverein veranstaltet wurden.
Der Heilige Abend vereinte die Familie immer unter dem Christbaum. Wo Kinder im Haus waren, kam das Christkindl und brachte ihnen ihre Geschenke und den Weihnachtsbaum. Wenn es im Zimmer war, sagten die Kinder ihre Gebete, und dann leerte das Christkindl die Geschenke aus, wenn jedoch außer den Kindern jemand danach verlangte, wurde es vom Christkindl mit der Rute belohnt. Zu den ungezogenen Kindern kam auch noch der Pelznickel (Weihnachtsmann) mit der Kette, um die Kinder damit zu erschrecken.
Am ersten Weihnachtstag gingen die Kinder zu ihren Paten und den Verwandten, um die Geschenke abzuholen.
9.6 SITTEN UND GEBRÄUCHE IM LEBENSLAUF
Wünschten sich die Kinder einen Bruder oder eine Schwester so baten sie:
Stark, Stark, guder,
Bring mir e Bruder!
Stark, Stark, beschter,
Bring m`r e Schweschter!
War dann das freudige Ereignis eingetreten, wurde auch gleich die Taufe vorbereitet. Nach der Anmeldung im Gemeindehaus und Pfarramt wurden die Paten bestellt. Bereits einige Tage nach der Geburt wurde das Kind getauft. Da meistens eine größere Verwandtschaft bestand, wurden drei oder vier Paare als Paten eingeladen. Jedoch nur der älteste Pate („Patt“) und die älteste Patin („Goth“) wurden auf dem Amte eingetragen.
Beim Gang zur Kirche wurde das Kind getragen. Es war in ein Steckkissen gebunden und mit einer extra zur Taufe angefertigten Decke zugedeckt. Beim Taufakt wurde es, wenn es ein Knabe war, vom ältesten Paten, wenn es ein Mädchen war, von der ältesten Patin gehalten.
Nach der Rückkehr von der Taufe und nachdem das Kind versorgt war, ging man zu Tisch. Beim Mittagessen waren außer den Eltern und Paten auch die Großeltern, zusammen meist 12 - 15 Personen, anwesend. Zu Essen gab es Suppe, einige Sorten Fleisch, Gebäck und „Dunscht“ (eingemachtes Obst). Beim Wein und bei fröhlicher Unterhaltung blieb man den ganzen Nachmittag und oft auch am Abend beisammen.
Ganz früher bekamen die Täuflinge von ihren Paten einen mit bunten Blumen und Vögeln verzierten „Gothelbrief“. Er enthielt ihren Wunsch für ihr „Gothel“, „Gotchen“ oder „Göttel“ (Patenkind) und war handschriftlich oder in Kunstschrift geschrieben, auch mit farbenprächtigen Blumen verziert, sogar auf Glas gemalt und mit Silber- und Goldpapier unterlegt. Als Beispiel für solche „Gothelbriefe“ nachstehend zwei Abschriften:
Liebes Gotchen!
Heut diesen Tag bist Du getauft auf Christum, der Dich hat erkauft, des bleib Du allzeit eingedenk und nimm von mir dies klein Geschenk. Der Himmel segne Dich mit seinen reichen Gaben, daß Deine Eltern Trost und Freude an Dir haben. Es segne Deinen Tritt, in Deiner Lebenszeit und schenke Dir hernach den Schatz der Seligkeit. Solches wünschet von Herzen ihrem lieben Patchen.
Kischker d. 9ten 8. 1814. Anna Maria Thersia Burghard
Anna Maria Thersia Hajnotzy
Nimm liebes Göttel hin, was ich dir heut will schenken,
Dabey du deiner Tauf und meiner sollst gedenken.
Die Gabe ist zwar klein, doch wünsch ich dieß dabey,
Daß dieses Tausendfach dein Uibervorrath sey.
Der Himmel seegne dich mit seinen reichen Gaben,
Daß deine Aeltern Ehr und Freude an dir haben,
Er seegne deine Tritt, in deiner Lebenszeit,
und schenke dir hernach, den Schatz der Seeligkeit.
In der Zeit nach dem Taufsonntag wurden von den Taufpaten, abwechslungsweise von jedem drei Tage lang, der Mutter des Kindes Essen hingetragen, und zwar morgens Kaffee und das Mittagessen. Selbstverständlich zeigte sich jedes dabei von seiner besten Seite.
Die am meisten vorkommenden Taufnamen waren: Katharina, Elisabetha, Margaretha und Rosina; Jakob, Christian, Adam und Philipp. Üblich war es, daß die ersten Kinder, je nach Geschlecht, den Vornamen der Großeltern oder Paten erhielten. Wer keinen reichen Kindersegen erwartete, gab dem Kind einen Doppelnamen. Nach dem ersten Weltkrieg wurde
das Zwei- bis Drei-Kinder-System allmählich üblich, und es verschwand auch diese, vorher von der bäuerlichen Bevölkerung fast ausnahmslos durchgeführte Sitte.
Bis um etwa 1930 war in jedem Haus eine Wiege, in der das Kind schlief. Dann wurden die Kinderwagen eingeführt, so daß mit ihnen das Kind nicht nur spazieren gefahren wurde, sondern auch darin schlief. Die Wiegen, die in einigen Häusern noch vorhanden waren, verstaubten auf dem Dachboden.
Man kannte bei uns viele Gestalten, durch deren Herbeirufen man sich die Kinder gefügig machen konnte: Der „Kinderkauf“ holte die kleinen Kinder fort und steckte sie in einen Sack, wenn sie nicht einschlafen wollten. Die „Nachtkrabsch“, der „Bockeraz“ oder der „Pelznickel“ waren andere Gestalten, die den Kindern Furcht einjagen sollten.
Mit 4 - 5 Jahren konnten die Kinder in den Kindergarten oder in die „Vorbereitungsschul“ gehen. Mit 6 Jahren kamen sie in die Volksschule.
Mit 12 - 13 Jahren wurden die Kinder konfirmiert und galten dann als „Ledige“. Bevor sie aber bei der Konfirmation eingesegnet wurden, mussten sie sich bei ihren Eltern, Paten und Großeltern „abbitten“, zum Beispiel:
Liebe Großeltern!
Durch Gottes Gnade und Hilfe habe ich den gesegneten Tag erlebt, an dem ich das erste Mal zum Tisch des Herrn treten soll. Heute lege ich das Gelöbnis ab, was meine Taufpaten einst für mich gelobten, daß ich meinen Glauben lieben und darnach leben werde bis zum letzten Atemzug. Mit lieben Herzen trete ich vor Euch, liebe Großeltern, und danke für alles Gute, das ich seit meinen ersten Lebensjahren von Euch genossen habe. Nun bitte ich Euch, mir alles zu vergeben, mir meine Fehler zu verzeihen, soll ich Euch jemals gekränkt oder beleidigt haben, verleiht mir Euren christlichen Segen, damit ich als würdiger Gast am Tisch des Herrn erscheinen kann. Und weil ich nun als armes Waisenkind, das vom teuren Vater verlassen ist, der in weiter Ferne sein junges Leben opferte, zum Tisch des Herrn gehen muß, so bitte ich den himmlischen Vater, er möge Euch, liebe Großeltern, noch lange ]ahre gesund erhalten, damit Ihr die Stelle unserer unvergeßlichen Mutter noch lange vertreten könnt.
Lieber Onkel und liebe Tante:
Ich trete kindlich mich zu zeigen,
herzlich will ich mich Euch neigen,
herzlich vor das Angesicht,
dar zu bieten meine Kindespflicht.
Ich bitte Euch, mir zu verzeihen,
die Fehler will ich gern bereuen,
womit ich Euch beleidigt habe,
will Gutes tun bis an mein Grabe.
Das soll Euch ja bei Gott beistehn,
daß ich würdig am Tische des Heiligen
Abendmahles kann stehn. Amen .
Solch ein Spruch mußte - auswendig gelernt - vorgetragen werden.
Burschen mußten, sofern die körperliche Verfassung es zuließ, schon während des letzten Schuljahres den Eltern in der Landwirtschaft oder im Beruf mithelfen. Dies kam den Kindern sehr zum Nutzen, weil sie nicht nur die Eltern unterstützten, sondern die Notwendigkeit der Arbeit früh genug schätzen lernten.
Nach der Entlassung aus der Schule erlernten einige einen Beruf, einige besuchten mehrere ]ahre die Mittelschulen, doch nur wenige studierten weiter. Der größte Teil blieb zu Hause und half in der elterlichen Landwirtschaft mit.
Von den Mädchen lernten viele nach der Schulentlassung nähen, um die eigene Wäsche und zum Teil auch die Kleider selbst anfertigen zu können. Dann mußten die Mädchen bei der Hausarbeit mithelfen, so daß es kaum Mädchen gab, die nicht schon mit 15 Jahren mit der Hausarbeit, einschließlich Stricken, Arbeit im Gemüsegarten, Betreuung der Haustiere usw., vertraut waren.
Seit etwa 1928 traten viele Jugendliche nach Beendigung der Volksschule der Sport- und Jugendabteilung des Kulturbundes bei.
Außer dieser vielseitigen Beschäftigung gab es jedoch auch noch viel Freizeit, besonders im Winter. Diese Zeit wurde von den „Ledigen“ (Jugendlichen) in der Gesellschaft verbracht.
Mit etwa 14 Jahren bildeten die Mädchen, 6-8 an der Zahl, eine Kameradschaft. Sie gingen in den Monaten ab Mitte Oktober bis Anfang Februar (Lichtmeß) abends von 6-3/49 Uhr (um 9 Uhr mußten alle zu Hause sein) in einer Wohnung „zur G'sellschaft“. Es ging immer der Reihe nach zu jedem einmal. Die Mädel machten Handarbeiten; je nachdem, was gerade in Mode war, häkelten oder stickten sie für ihre Aussteuer. Die Burschen fanden sich auch in der G”sellschaft ein. Sie spielten Karten, Gesellschaftsspiele oder „schtellte nur an“.
Doch wurde zur Unterhaltung auch oft gesungen. Gerade die Jugend war die Trägerin der Volkslieder, die jüngeren lernten sie von den älteren, und auf diese Art blieben uns die alten Lieder viele Jahrzehnte lang erhalten. So kam auch die Hausmusik zu ihrem Teil, denn irgendwo mußte das Tanzen ja gelernt werden.
Zur Erinnerung an diese schönen Zeiten führen wir einige der meistgesungenen Lieder an:
Nach meiner Heimat zieht”s mich wieder; Müde kehrt ein Wandersmann zurück; Dort drunten im Tale, wo der Ostwind wehte; Wenn im Wald die Blätter fallen; Mariechen saß weinend im Garten; Sollt ich denn mein junges Leben; Als ich achtzehn Jahre alt war; Ich habe den Frühling gesehen; Es verliebt sich einst ein Jüngling; Mädchen heirat nicht so früh.
Verhältnismäßig früh heiratete man bei uns. Gewöhnlich waren die Mädchen erst 18-20 Jahre, die Burschen 20-24 Jahre alt. Wenn sich dann zwei gefunden hatten, hielt man „Handstrech“ (Verlobung), d. h. man ging auf das Standes- und Pfarramt und bestellte das Aufgebot. Danach ging man ins Haus der Braut, wo es eine schöne Familienfeier gab.
An den folgenden drei Sonntagen wurde das Brautpaar in der Kirche „ausgerufen“ (vermeldet). Beim ersten mal waren die Eltern des Braut-paares in der Kirche. Beim zweiten mal das Brautpaar und ihre Kameradschaft. Beim dritten mal waren wieder die Eltern anwesend. Drei Wochen nach der Verlobung fand dann die Trauung und die Hochzeitsfeier statt.
Die Hochzeit, ein wichtiger Tag im Leben, eines der schönsten Feste von allen, die in unserem Dorfe gefeiert wurden. Nur wer selbst einmal Gelegenheit hatte, solch einer echten schwäbischen Bauernhochzeit beizuwohnen und miterleben konnte, mit welchem Aufwand bereits Wochen vorher die Vorbereitungen getroffen wurden, kann sich ein Bild davon machen, welch” große Bedeutung gerade diesem Tag von den Familien der beiden Brautleute und deren Bekannten und Verwandten beigemessen wurde.
Zunächst wurden von beiden Eltern alle Verwandten, Nachbarn und die guten Bekannten, die zur Hochzeit geladen werden sollten, zusammengeschrieben. Bei großen Hochzeiten waren dies zwischen 400 und 500 Personen. Solch große Hochzeiten wurden meistens donnerstags abgehalten.
Eine Woche vor der Hochzeit wurden vom Brautpaar die Brautmädel, Brautführer und die ledigen Kellnermädel und Kellnerburschen zur Hochzeit eingeladen. Sonntags vor der Hochzeit waren es vier Männer, die als Hochzeitslader mit Stock, der mit bunten Seidenbändern geschmückt war, alle übrigen Hochzeitsgäste einluden und in jedem Hause folgenden Spruch sagten:
Wir bringen euch mit Band und Strauß
einen schönen Gruß ins Haus.
Wir laden euch zur Hochzeit ein,
wo lauter gute Freunde sein,
die Hochzeit geben wollen.
]a, aus Lieb und Freude alles herzlich gerne geben
zum Andenken an das Freundschaftsleben.
So haltet euch dazu bereit
und kommt am Donnerstag zu der Hochzeit.
Danach will ich nicht vergessen,
das Werkzeug, das ihr braucht zum Essen,
das ist Löffel, Gabel, auch das Messer,
weil das Essen auch dann schmeckt viel besser,
somit ist unser Ladspruch aus
und kommt zur Hochzeit ins Gasthaus.
Mit den praktischen Vorbereitungen für das leibliche Wohl der Hochzeitsgäste wurde schon rechtzeitig begonnen. Es war auch Sitte, daß alle, die zur Hochzeit kamen, verschiedene Zutaten wie Eier, Zucker usw. zum Backen so auch Geflügel für das Hochzeitsmahl brachten. Auch bei der Arbeit halfen viele mit. Die Aufsicht hatte die Hochzeitsköchin. Es wurden allerlei Kuchen und feinste Gebäcke, wie Krapfen, Zwieback, Roulad, Käsbitte, Muskatzoni und Torten gebacken.
Unsere Menschen arbeiteten viel und schwer, und so mußten sie auch gut essen, deshalb durfte es an Fleisch nicht fehlen. Was an einer Hochzeit an Geflügel, Schweinen und Kälbern, manchmal sogar Großvieh geschlachtet wurde, ist gar nicht aufzuzählen.
Es wurde auch viel Wein getrunken, er war rein und vom besten. Die Hochzeitsväter ließen es sich was kosten.
Mobiliar und Geschirr wurden von den ledigen Burschen zusammen gefahren. Am Vorabend gab es für die Mitarbeiter und diejenigen, die es nicht mehr erwarten konnten, zum Nachtessen Gulasch (Paprikasch). Auch wurde bis um 11 Uhr abends getanzt.
Am Hochzeitstage versammelten sich die Gäste im Gasthaus, in dem die Hochzeit abgehalten wurde. Brautmädel und Brautführer holten, mit Musik begleitet, den Bräutigam (Hochzeiter) von zu Hause ab. Dann ging man im Auftrage des Bräutigams die Braut abholen. Der älteste Brautführer verlangte mit einem Brautspruch die Braut heraus:
Geehrte Hochzeitsversammlung!
Es ist althergebrachte Sitte,
ein Brautführer aus unserer Mitte,
bevor wir gehn ins Gotteshaus,
verlangen muß die Braut heraus. -
Mein erster Wunsch für euch Hochzeitsleut,
ist Eintracht und Zufriedenheit,
ein frommes Herz in jeder Brust,
auch voll mit Freud und voll mit Lust.
Ich hoffe, ihr werdet mich wohl verstehn,
so wird auch gewiß die Hochzeit schön.
Geehrte Hochzeitsversammlung!
Wir sind geschickt in dieses Haus,
heute soll es geben einen Hochzeitsschmaus,
der Herr Bräutigam hat mir anvertraut,
ich soll ihm bringen seine liebe Braut.
Darum halten wir es für unsere Pflichten,
den Gruß an die liebe Braut zu richten.
Mit diesem Auftrag sind wir dahergerannt,
wir haben auch gleich dieses Haus erkannt.
Wir gingen auch gleich mit der Musik herein,
um zu sehen, ob es auch die Rechte wird sein.
Der Herr Bräutigam gab uns Zeichen an,
an was man sie erkennen kann.
Tut mir doch meinen Wunsch erfüllen
und tut mir gleich die Braut zuschicken. -
(Wurde eine alte Frau oder ein Kind vorgeschoben,
dann hieß es.)
Scher dich weg vor meinem Angesicht,
denn du bist die Richtige nicht.
(Wenn dann die Rechte kam:)
Das wird wohl die Rechte sein,
die sieht gar so traurig drein.
Bevor wir aber weitergehn,
muß ich mir sie gut ansehn. -
Ja, die ist richtig, so schön gebaut,
wie der Bräutigam uns anvertraut.
(Wäre nur schon meine Zeit,
ich wäre selbst zu ihr bereit.)
Alle Zeichen stimmen auf ein Haar,
was der Bräutigam angesagt, ist alles wahr. -
Liebe Braut! Ich habe einen Gruß an dich zu richten,
dein Herr Bräutigam läßt dich recht schön bitten,
geh nicht betrübt von da hinaus.
Als Mann zieht er mit dir zurück in dieses Haus.
Komm, tue dich mir anvertrauen,
auf sein Wort kannst du schon bauen.
Er will dir reichen seine rechte Hand,
im Gotteshaus zum heiligen Ehestand.
Dieses dir zu sagen, War meine Pflicht,
komm, liebe Braut, und Weine nicht. -
Liebe Braut, nun wollen wir Abschied nehmen
von allen, die dich von der Wiege bis zum heutigen
Tag gerichtet haben.
So mache ich mei'n Spruch jetzt aus,
Wir müssen in das Hochzeitshaus.
Das ist ja unsere heilige Pflicht.
Geehrte Braut, jetzt Weine nicht.
Musik, spielet euren Klang
zum Glück für unseren Gang!
Sehr geehrte Hochzeitsgäste!
Ich bitte um die liebe Braut,
die heute wird vor Gott getraut.
Sind Sie so freundlich, sagt es ihr,
sie möge kommen her zu mir.
Liebe Braut!
Es saget dir, liebe Braut, mein Wunschgedicht,
was ja heut ist deine erste Pflicht:
Auszutreten aus der Jugend,
einzutreten in die Tugend,
zu allem Guten vorbereiten,
und in ein schönres Leben schreiten.
Denn das ist die schönste Gabe,
dem Gatten treu zu sein bis zum Grabe. Ich bitte dich, bleib stets treu und fromm,
und halte stets zu deinem Bräutigam.
Und wenn oftmals Sturm und Winde euch umwehn
sollt ihr dennoch niemals voneinander gehn.
Ich mahn dich noch an deine Kindespflicht:
Vergesse deine liebe Mutter nicht.
Sie hat dich als ihr Liebstes bis heut bewacht
und hat bei dir so manche Nacht
ohne Schlaf in Kummer zugebracht,
und wie oft tat sie dir erfüllen
deinen unschuldsvollen Kinderwillen. -
Du hast heute noch eine besondere Pflicht,
vergesse heute deinen lieben Vater nicht.
Gott der Herr hat ihn dir auserkoren,
doch dir ging er zu früh, ach so früh verloren.
Du sollst heute ihm gedenken,
mit Dank dorthin deine Blicke lenken,
zu seinem stillen Ruheort,
und sagen: Lieb Vaterherz, schlaf ruhig dort. -
Dies ist mein Wunsch und mein Gedicht.
Steh stille, liebe Braut, und weine nicht!
Hochgeehrter Bräutigam!
Trete zu deiner Braut heran.
Ich habe ja auch dir zu sagen,
welches sind eure Pflichten in euren Ehetagen.
Du bist deiner Braut ihre Stütze und ihr Hort
bei Wetter sowie bei Stürmen und immerfort.
Du sollst sie mit viel Lieb und Treu verehren,
um das Band zu festigen in eurem Eheleben.
Und wenn Kummer und Sorge ihr Herz umwehn,
so ist es deine Pflicht, ihr beizustehn.
Wenn ihr in eurem Ehebunde
in' fester Lieb und Eintracht lebt,
so wird so manche Liebesstunde
mit Lust und Wonne euch umwehn.
Jetzt gehen wir alle ins Verbindungshaus. Amen.
Die Freundin:
Herzliebste Braut!
Du stehst als Braut heute vor mir,
scheidest aus der Jugend, mein Herz sagt es mir.
Du scheidest von mir, wie ich es ja seh,
aber scheiden, scheiden, das tut mir weh.
Ich offenbare dir, liebe Kamerädin, du bleibst mir im Herzen.
Ich wünsche Dir Glück und Gesundheit dazu,
Alles Gute bis in deine ewige Ruh.
Ich halte es für meine Pflicht als treue Kamerädin.
Liebe Kamerädin, reiche mir jetzt die Hand,
du gehst im Myrtenkranz in den heiligen Ehestand.
Gesegnet seist du in der Zukunft deines Lebens.
Dies wünsche ich deinem Bräutigam auch so eben.
Es soll euch beiden wohlergehn,
solange eure Augen in den Himmel sehn.
Dein Abschied aus der Jugend fällt mir so schwer,
weil schön ist die Jugend, sie kommt nicht mehr.
So nimm von mir aus der Jugend zum Schluß
als treue Kamerädin den Abschiedskuß.
Das gab mein Herz mir heute zur Pflicht,
jetzt lebe wohl, vergiß mein nicht.
Solche Sprüche gibt es noch viele, sie wurden meistens von einer Person aus dem Verwandtenkreis vor der Hochzeit zusammengestellt. Zum Abschied spielte die Musik „Schön ist die Jugend“ und „So leb denn wohl, du stilles Haus“. Hatte man die Braut abgeholt, ging man ins Gemeindehaus (Standesamt) und anschließend zur Kirche. Vor 1914 war der Hochzeitszug so:
Kinder
Brautführer - Braut - Brautführer
Brautmädel - Brautmädel
Brautführer - Brautführer
Brautmädel - Brautmädel
(usw. bis zu 15 Paaren, das richtete sich nach der Freundschaft)
die Weiber
Trauzeuge - Hochzeiter - Trauzeuge
die Männer
Die Kirche verließ man in umgekehrter Reihenfolge. Das junge Paar ging dann meistens auch zusammen. Der Hochzeiter und die Trauzeugen trugen einen Apfel mit einem Rosmarinzweig. Die Brautführer hatten sträußchen geschmückte Hüte mit zwei Bändern. Das Mieder der Braut war mit Sträußchen und langen Seidenbändern geschmückt. Außerdem trug sie eine Krone aus künstlichen Blumen auf dem Kopf.
Wieder im Gasthaus angekommen, begann man mit dem Brauttanz. Zunächst tanzte das Brautpaar, die Musik setzte dabei dreimal ab. Den nächstesten Tanz tanzte der älteste Brautführer mit der Braut, dann Hochzeiter und ältestes Brautmädel. Es tanzten dann alle Brautführer mit der Braut und alle Brautmädel mit dem Hochzeiter (in letzter Zeit waren die Trauzeugen die ersten).
Nach dem Ehrentanz gingen die Gäste heim, um sich eine weniger feierliche Tracht anzuziehen. Dann kamen sie zum Hochzeitsmahl wieder. Einer, dem der Magen schon geknurrt hatte, sagte dann:
Jetzt höret doch mein Läuten an,
ich will euch offen sagen,
daß ich es nicht mehr dulden kann
mit meinem leeren Magen.
Nun bohrt er mir und will noch bohren
und macht sich schon bereit.
Er sagt: die Köchin muß doch kochen,
das ist mein ganzer Streit.
Ich rufe mir schon Hilfe an,
die mir doch werden raten,
wie ich den Streit doch stillen kann,
ja ohne Advokaten.
Denn es kommt ja schon die Zeit,
Wo wir werden essen,
dann legt sich unser ganzer Streit,
dann wird sich dies vergessen.
Drum seid bereit und haltet mit
mit eurem besten Appetit.
Beim Essen und Trinken gab es noch so manchen Spruch, zum Beispiel:
Geehrte Hochzeitsgäste!
Lasset mich mein Traum erzählen.
Wie ein Traum den Mensch kann quälen!
Was der Traum mir Kummer macht,
zitierte mich die ganze Nacht. -
Ich war doch so voll Müdigkeit
vom Tanzen von der Hochzeit.
Ich tanz im Traum die ganze Nacht,
bis ich endlich bin erwacht,
da dachte ich, der Traum War dumm -
und wälzte mich im Bett herum.
Ich war halt von meinem Traum betrogen
und dabei auch noch angelogen.
Ich wollt die Dummheit ganz vergessen
und träumte Wieder aufs neue vom Essen.
Jetzt hört mich an, ihr Hochzeitsgäste,
das ist ja das Beste:
Hunger hat ich wie ein Bär
und habe jetzt keinen Magen mehr.
Der Magen war von mir gestohlen,
Wo jetzt schnell einen andern holen?
Das Essen stand schon auf dem Tisch,
ich greif halt zu, was ich erwisch,
und esse fest und trink auch Wein
und laß halt Magen Magen sein.
Auf einmal fällt mir ein das Tanzen.
Ich geh halt mit mein'm dicken Ranzen.
Ich tanz und tanz mich sattsam naß,
auf einmal spür ich Was.
Nach dem Tanzen ging ich hinaus,
auf einmal unten rinnt”s heraus.
Ich schaff dem Rinnen doch gleich Ruh,
und stopf halt unten fleißig zu.
Ich dachte, das darf nicht so gehn,
das dürfen die Leut nicht sehn.
Ich zog jetzt an mein”n Rock
und darüber War ich sehr erschrock
und war sogleich auch dann erwacht -
da war im Bett eine schöne Lach.
So, dachte ich, na das ist was:
Das ganze Bett und ich war naß. -
So war die Hochzeit nur geträumt
und ich war halt wie nie geleimt.
Jetzt wünsch ich euch besseren Mut!
Gebet acht, daß hier keiner rinnen tut.
Nachdem alle gegessen hatten, wurde die Mitte des Saales ausgeräumt, damit die Tanzpaare Platz hatten. Doch kaum hatte die Musik einige Tänze gespielt, konnte die Braut nicht mehr tanzen, Weil man ihr die Schuhe gestohlen hatte und dafür ein Paar Holzschuhe hinstellte. ]etzt mußten die Brautführer (in letzter Zeit die Trauzeugen) zuerst die Schuhe zurückkaufen. Das gleiche passierte auch oft mit den Weingläsern der Brautleute. Wenn das vorüber war, feierte man ausgiebig bis zum nächsten Morgen.
Da das Brautpaar sich nach Mitternacht zurückgezogen hatte, wollte man ihnen morgens noch ein Ständchen spielen. Aus diesem Anlaß machten sich die Brautführer mit den Brautmädeln und der Musik auf den Weg ins Hochzeitshaus. Bei dieser Gelegenheit säumten viele Zuschauer den Weg des fröhlichen Zuges und die guten Bekannten bekamen dabei den Hochzeitswein zu kosten. Allmählich löste sich die Gesellschaft auf.
Nach der Hochzeit nahm der Alltag wieder seinen Lauf; den Brautschmuck hängte man unter Glas an die Wand, ebenso das Bild des Brautpaares. Viele der jungen Leute verblieben auf dem Hof der Eltern, die sich mehr oder weniger zur Ruhe setzten.
In gesellschaftlicher Hinsicht war zwischen der Jugendzeit und dem Ehestand ein deutlicher Unterschied sichtbar. Während die Jugend sich mehr schulkameradschaftsweise ihre Freundschaft gebildet hatte, war es bei den Verheirateten die Nachbarschaft, zu der man nun enge Bindungen pflegte. Besonders im Winter, wo man doch viel Zeit hatte, ging man allabendlich in die G'sellschaft (Spinnstube), wo die Frauen meistens strickten (gesponnen wurde nur früher) und die Männer die Erfahrungen des Sommers austauschten oder Karten spielten. Auf diese Weise wurden unzertrennliche und gute Nachbarschaftsbande geschlossen, die sich im Leben unserer Menschen so oft bewährten.
Wenn jemand starb, wurde die Sterbeglocke geläutet. Da sich alle Leute des Dorfes kannten, sagte es auch einer dem andern, und so wußten es bald alle. Wenn es ein Mitglied der Sterbekasse der Wohlfahrtsgenossenschaft war, wurde am Amtsgebäude eine schwarze Fahne herausgehängt. Die Spiegel im Haus wurden mit schwarzen Tüchern verhängt, die Uhren zum Stehen gebracht.
Man trug die Toten mit den Füßen zuerst aus dem Haus hinaus. Beim Leichenzug war eine genaue Reihenfolge: Kreuzträger, Sänger, Pfarrer und Lehrer, Sarg (stets von 4 Männern getragen), Vater und die männlichen Kinder, Brüder, männliche Verwandte, alle übrigen Männer, Mutter oder Frau und Töchter, Schwestern, weibliche Verwandte, alle übrigen Weiber. Man trauerte um die Eltern ein bis zwei Jahre, um die nahen Verwandten ein Jahr, um die weiteren Verwandten 8-14 Tage.
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