Kischker  1786 - 1944                                                ein donauschwäbischer Ort in der Batschka 
heute:  
Bačko Dobro Polje - Vrbas  in der Vojvodina gelegen.           

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     11   ERSTE MASSAKER

  • 11.1   Du Strick! Du Kugel! Die schrecklichsten Tage in Pancevo
  • 11.2   Die schrecklichsten Tage in Kischker und der Batschka      + m. Text
  • 11.3   Ein Volk ausgelöscht von Leopold Rohrbacher 1949
  • 11.4   Charta der Deutschen Heimatvertriebenen von 1950  


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 11.1  Du - Strick!  Du - Kugel!        

 Eine der ersten - in Jugoslawien - verübten Gräueltaten Nazi-Deutschlands.  

Pancevo,  April 1941. Das Protokoll eines Massakers - Von Walter Manoschek, 8. Juli 1999

Aus der Wochenzeitung  - DER ZEIT - NR. 28/1999

     Der Krieg gegen Jugoslawien hatte nur elf Tage gedauert. Nachdem die jugoslawische Luftwaffe durch die Bombardierung Belgrads schon in den ersten Kriegstagen zerstört worden war, kapitulierte der Balkanstaat am 17. April 1941. Ein Krieg, ganz in der Tradition der Blitzsiege. Die Wehrmacht richtete sich auf eine ruhige Besatzungszeit in Serbien ein. Außer einiger lokaler Widerstandsaktionen rechnete sie mit keiner relevanten Gegenwehr. Und den martialischen, schnauzbärtigen Tschetniks, die viel eher in die Kostümfilme Hollywoods als auf die von Panzern und Flugzeugen beherrschten Schlachtfelder des Zweiten Weltkrieges passten, würde die stärkste und modernste Militärmacht der Welt, wenn notwendig, mit exemplarischer Härte noch allemal beikommen.

     So erwartete der Kommandant des XI. Armeekorps, General von Kortzfleisch, am 27. April 1941 von der Truppe, dass "mit rücksichtsloser Schärfe jeder Widerstand gebrochen wird. Jeder mit der Waffe in der Hand bei Gegenwehr oder Flucht Angetroffene ist unverzüglich zu erschießen." Und der Befehlshaber der 2. Armee, Generalfeldmarschall Maximilian von Weichs, ordnete einen Tag später an: "Tritt in einem Gebiet eine bewaffnete Bande auf, so sind auch die in der Nähe der Bande ergriffenen wehrfähigen Männer zu erschießen, sofern nicht sofort einwandfrei festgestellt werden kann, dass sie nicht mit der Bande in Zusammenhang gestanden haben. Sämtliche Erschossene sind aufzuhängen, ihre Leichen sind hängen zu lassen." Am 19. Mai, als bereits 100 Serben nach einem Anschlag auf einen deutschen Soldaten erschossen waren, ließ von Weichs in allen noch nicht befriedeten Orten Serbiens Plakate aufhängen, die ankündigten, dass "für jeden deutschen Soldaten, der durch Überfall von serbischer Seite zu Schaden kommt, rücksichtslos jedes mal weitere 100 Serben erschossen werden"

     Die Wehrmacht ließ keine Zweifel aufkommen, dass sie gewillt war, jeden Widerstand mit brutalsten Mitteln zu brechen. Dass dabei vor kriegsverbrecherischem Terror nicht zurückgescheut werden sollte, ist evident: Willkürlich aufgegriffene wehrfähige Zivilisten wurden erschossen, danach die toten Opfer auch noch öffentlich aufgehängt.

Das mittlerweile wohl bekannteste Beispiel von Verbrechen der Wehrmacht an der Bevölkerung zu Besatzungsbeginn hat der Sonderberichterstatter der OKW-Propaganda-  illustrierten Signal, Gerhard Gronefeld, fotografiert er hat die Bilder dann versteckt und so über den Krieg gerettet. Nachdem einzelne Fotos bereits in verschiedenen Publikationen erschienen sind, ist die Serie von über 50 Aufnahmen in der Ausstellung Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944 erstmals komplett zu sehen. Sie zeigen die Erschießung und Erhängung von Zivilisten in Pancevo im April 1941.

     Drei Tage nach der Kapitulation Jugoslawiens, am 20. April 1941, war in Pancevo ein Angehöriger der Waffen-SS-Division Das Reich von serbischen Heckenschützen aus einem Friedhof heraus erschossen, ein weiterer schwer verwundet worden. Gerüchte sprachen davon, dass die Schützen durch einen unterirdischen Gang geflüchtet wären, der angeblich von einer Gruft im Friedhof zu einem Gasthaus führte. Doch gesehen hatte diesen Gang niemand.

     Der Stadtkommandant, Oberstleutnant Fritz Bandelow, gab daraufhin per Plakatanschlag die Erhängung von zehn Serben für jeden verwundeten oder ermordeten Soldaten bekannt. Noch am gleichen Tag begann eine Razzia in der Stadt, bei der Wehrmacht- und Waffen-SS-Einheiten etwa hundert Menschen festnahmen. Als offizielle Begründung für deren Verhaftung reichte aus, dass - wie im Tätigkeitsbericht der Sanitätskompanie der Waffen-SS-Division Das Reich vermerkt - in ihren Wohnungen "Bündel von Zivilkleidern und Uniformstücke gefunden worden waren". Im Gerichtsgefängnis wurden dann 40 ausgesucht und in das ehemalige Hotel Esplanada, das seit wenigen Tagen "Deutsches Haus" hieß, überstellt.

     Da das in Pancevo stationierte Wehrmacht-Infanterieregiment Großdeutschland selbst über keinen Gerichtsherrn verfügte, forderte Bandelow in alter Waffenbrüderschaft den SS-Sturmbannführer Rudolf Hoffmann von der Waffen-SS-Division Das Reich als Gerichtsherrn an, um ein Standgerichtsverfahren durchzuführen. Hoffmann hatte schon einschlägige Erfahrungen: Wie aus dem Tätigkeitsbericht des Gerichts der Division hervorgeht, hatte er in der Woche seit seiner Ankunft in Serbien in sechs Verfahren bereits 31 Todesurteile wegen Freischärlerei und unerlaubten Waffenbesitzes ausgesprochen und sofort vollstrecken lassen.

      Am 21. April in Pancevo angelangt, sprach der SS-Sturmbannführer gleich 4 Serben mit der Standardbegründung "Freischärlerei und unbefugter Waffenbesitz" schuldig. Das Urteil lautete auf Todesstrafe und wurde sofort durch Erschießen vollstreckt. Am nächsten Tag ging die Prozedur weiter. In drei so genannten Standgerichtsverfahren wurden zunächst 18 Personen und dann noch jeweils 7 weitere - also insgesamt 32 Zivilisten, darunter eine Frau und ein Schüler - zum Tode verurteilt. 18 Todesurteile waren durch Erhängen auf dem Friedhof, die anderen 14 durch ein Erschießungskommando des Wehrmacht-Regiments Großdeutschland an der Friedhofsmauer zu vollstrecken.

     Wie diese "Standgerichte" tatsächlich abliefen, beschrieb der Volksdeutsche Stefan Kleiber, der als Dolmetscher daran teilgenommen hatte, in einem bundesdeutschen Ermittlungsverfahren 1967: Es wurden im Hotel Esplanada "10 Personen in Zivil in den Saal geführt ... Bandelow warf jedem einzelnen irgendwelche Taten vor, die diese wahrscheinlich nicht begangen hatten. Als diese antworten bzw. sich rechtfertigen wollten, befahl Bandelow in barschem Ton, dass sie ihren Mund halten sollen. Es hatte keiner die Gelegenheit, sich zu rechtfertigen. Die ersten 10 Personen wurden dann wieder aus dem Saal geführt ... Insgesamt dürften es 40 Personen gewesen sein, die in den Saal geführt wurden." Nach Aussagen des Volksdeutschen Josef Feigl im selben Verfahren handelte es sich bei den Verurteilten um Personen, "die wahllos aufgegriffen wurden ... Von den Toten habe ich mindestens 25 Personen persönlich gekannt. Es waren harmlose Bürger, die niemandem etwas zuleide getan hatten."

     Zeitzeugen aus der Gruppe der volksdeutschen Minderheit, die damals ein Viertel der Einwohnerschaft Pancevos ausmachte, schildern die Stimmung im April 1941 heute unterschiedlich. Sprechen die einen davon, dass sie sich während der Kriegshandlungen zwischen der Wehrmacht und der jugoslawischen Armee versteckt hielten, da sie Angst hatten, von den Serben als Geiseln verschleppt zu werden, so entsinnen sich andere, dass nach der Besetzung Pancevos eine paritätische Verwaltung aus Serben, Volksdeutschen und Ungarn gebildet wurde, die harmonisch die Geschicke der Stadt lenkte. Ganz so friedlich dürfte es aber unter den Volksgruppen denn doch nicht zugegangen sein: Der damalige Abiturient Peter Hild erinnert sich 1997 in der Zeitschrift Der Donauschwabe, "dass er in dieser Zeit zum ersten Mal mit dem Antisemitismus konfrontiert wurde, der seine hässliche Fratze zeigte. Unser Hausarzt war Herr Dr. Örsch, ein Jude. Ich sah ihn zusammen mit anderen Juden mit bloßen Händen das Rathausklo putzen."

     Für den damals achtjährigen Heinrich Köller brach mit dem Massaker eine Welt zusammen: "Deutschland war für uns", erinnert er sich ebenfalls im Donauschwaben, "das ferne Licht, das uns Hoffnung und Zuversicht gab, eine bessere und gerechtere Zukunft versprach, das Land Goethes, Schillers, Kants und Beethovens. Und dann erlebte ich, wie im Namen dieses Deutschlands ein derartiges Verbrechen geschah, 36 unschuldige Menschen grausam hingemordet wurden, darunter eine Frau und ein Gymnasiast, mit dem ich noch am Vortag gesprochen hatte, als er für die Wehrmachtfeldküche Wasser schleppte und Töpfe scheuerte." Der fünfzehnjährige Junge war der Sohn eines serbischen Offiziers. Er hatte den wertvollen Paradesäbel seines Vaters versteckt. Bei einer Razzia fanden die Deutschen die "Waffe" und beschlagnahmten sie als Militärgut. 

Der Junge wurde verhaftet und schließlich mit den anderen an der Friedhofsmauer erschossen.

Die Hinrichtung wurde zum Spektakel, die Soldaten fotografierten und filmten.

     Der 22. April 1941 war eine Zäsur im Verhältnis zwischen der serbischen und deutschen Volksgruppe der Stadt. Heinrich Köller meint dazu in einem Brief an den Autor: "Mit dieser Massenexekution in meiner Geburtsstadt Pancevo endete eine friedliche Kultur des Zusammenlebens zwischen uns Donauschwaben und den Serben."

Durch die Intervention von einflussreichen Volksdeutschen bei Stadtkommandant Bandelow konnte zumindest einigen der unschuldigen Männer das Leben gerettet werden. Wie der serbische Lokalhistoriker Branislav Popov Misa durch Zeugenaussagen rekonstruierte, wurden die Übrigen ohne formelles Gerichtsurteil zur Tötung bestimmt: "Der Vorsitzende hat den Opfern einfach mündlich mitgeteilt: ,Du - Strick' ... ,Du - Kugel'."

     Der Ablauf der Massenhinrichtungen geriet zu einem inszenierten Schauspiel: Bereits am Morgen des 22. April waren 9 Volksdeutsche, die sich während der Kriegstage zu einer Bürgerwehr formiert hatten und in den Wirren beim Abzug der jugoslawischen Armee aus Pancevo am 11. April unter ungeklärten Umständen verschleppt und anschließend getötet worden waren, in einem Ehrengrab der Stadt bestattet worden. Danach ging es weiter zur Friedhofsmauer. Hier wurden die 14 zum Tod durch Erschießen Verurteilten vorgeführt und von einem Exekutionskommando des Wehrmacht-Regiments unter der Leitung des Führers des Pionierzuges III, Leutnants K., hingerichtet.

     Die Todesschützen hatten sich freiwillig gemeldet. Einer von ihnen, Horst Hohenberg, erinnerte sich im Verfahren 1967, dass die etwa 18 Schützen zur Friedhofsmauer marschierten. Die Opfer "waren nicht gefesselt. Zwei Soldaten mussten jeweils auf einen der Zivilisten schießen."

     Die Getöteten blieben zur Abschreckung zwei Tage liegen. Zur Hinrichtung war auch ein Spielmannszug des Regiments abgestellt. Wer sich nicht freiwillig zum Erschießungskommando gemeldet hatte, kam zum Gaffen. Auf den Fotos von Gronefeld lässt sich erkennen, dass die Exekution auch mit einer Kamera gefilmt wurde. 1997 tauchte sogar ein Farbfilm auf, der vom Regimentsangehörigen Gottfried Kessel zu dokumentarischen Zwecken gedreht worden ist. Wer von den Kameraden aus dienstlichen Gründen oder wegen Urlaubs verhindert war, um an der Tötungsschau teilzunehmen, konnte zumindest die Fotos nachkaufen.

     Am Nachmittag erfolgte dann die Erhängung der übrigen 18 Opfer im Friedhof von Pancevo. Wie Gronefeld später zu Protokoll gab, wurden die Erhängungen "laienhaft durchgeführt und führten zu unsäglichen Qualen der Verurteilten.

Ein sehr starker und großer Mann (es handelte sich um einen Beamten der Stadt, d. A.) wurde sogar dreimal in die Schlinge gehängt, weil das erste Mal der Strick zu lang war und das zweite Mal der Strick riss ..."

Die Tat bleibt ungesühnt: 1973 stellen deutsche Gerichte das Verfahren ein. 

     Die Fotos vom Schauplatz zeigen, dass die Erhängungen zu einem wahren Spektakel ausarteten, an dem - wie sich die Augenzeugin Anna Mild 1967 erinnerte - nicht nur zahlreiche Wehrmachtsoldaten, sondern auch "hunderte von Leuten aus Pancevo zusahen". Soldaten kämpften um die besten Positionen zum Fotografieren, andere posierten vor den Gehängten und zogen an deren Füßen, und auch die Todesschützen vom Vormittag hatten noch nicht genug und tauschten am Nachmittag ihre Rolle als Exekutoren mit der des Zuschauers. So gab der Todesschütze Horst Hohenberg im Jahre 1969 bei seiner Einvernahme zu Protokoll: "Nachmittags des gleichen Tages nahm ich an den Erhängungen mehrerer Zivilisten als Zuschauer teil ... Erinnerlich ist mir noch, daß Stangen von einem zum anderen Baum gelegt wurden ... An diesen waren Schlingen angebracht. Die Delinquenten mussten sich auf ein Fass stellen und dort wurde ihnen die Schlinge um den Hals gelegt. Den Opfern hatte man die Hände auf den Rücken gefesselt. Ein Zivilist, der als Henker fungierte (es handelte sich um den Volksdeutschen Hermann Brumm, der sich freiwillig gemeldet hatte, d. A.), stieß dann jeweils das Fass um ... Unter den Erhängten befand sich eine ältere Frau, die ein Kopftuch trug."

     Noch heute behaupten unermüdliche Ehrenretter der Wehrmacht öffentlich, bei der ganzen Aktion hätte es sich um ein nach der Prozessordnung zulässiges Standgerichtsverfahren und anschließend um den Vollzug eines völkerrechtlich gedeckten Urteils gehandelt. Sie stehen dabei in einer langen Tradition von Versuchen, dieses Massaker rechtlich zu legitimieren.

So etwa definierte das Armeeoberkommando 2 die wahllos aufgegriffenen Bürger der Stadt zu Tschetniki um: "Durch das sofort zusammengetretene Standgericht wurden im serbischen Friedhof von Pancevo 17 serbische Cetniki und 1 Frau, die sich als Cetnika bekannte, erhängt. Die Galgen mit den Stricken befinden sich zum abschreckenden Beispiel noch im Friedhof von Pancevo. Die Erhängten hingen mehrere Tage am Galgen. Zu gleicher Stunde (recte: bereits am Vormittag, d. A.) wurden an der serbischen Friedhofsmauer 18 (recte: 14, d. A.) serbische Cetniki erschossen."  

  Und auch nach dem Krieg tat die bundesdeutsche Justiz ihr Bestes, um die Spuren dieses Verbrechens zu verwischen. Obwohl in dem Verfahren gegen Wehrmachtangehörige in Sachen Pancevo, das 1965/66 eingeleitet worden war, bei den ermittelnden Staatsanwälten am Landgericht Darmstadt und beim Landgericht München der begründete Verdacht auftauchte, "dass die Standgerichtsurteile auf Willkür beruhen" beziehungsweise "es sich nicht um ordentliche Standgerichtsverfahren, sondern mehr um eine Vergeltungsaktion gegenüber der Bevölkerung handelte", stellte man die Ermittlungen im Jahre 1973 endgültig ein. 

    Die bizarr konstruierte Begründung für diese Einstellung verdient ausführlicher zitiert zu werden. Nachdem der Staatsanwalt die Zulässigkeit der Erschießung von Freischärlern aufgrund standgerichtlicher Verfahren zweifelsfrei konstatiert hatte, stellte er fest, dass "für den Fall, dass die Verurteilten und Hingerichteten nicht im Besitze von Waffen gewesen sein sollten und sie auch keine Partisanen gewesen sein sollten, nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden (kann), dass es sich bei der Verurteilung und Hinrichtung der 36 Personen um eine völkerrechtlich zulässige Repressalie handelte". Genauso wenig wollte der Staatsanwalt ausschließen, dass die Opfer rechtmäßig verhaftete Sühnegefangene gewesen waren: "Im vorliegenden Verfahren dürfte diese Voraussetzung ebenfalls erfüllt sein, jedenfalls kann dies nicht ausgeschlossen werden. Denn nach den getroffenen Feststellungen erfolgte der Widerstand gegen die deutschen Soldaten aus der ortsansässigen Bevölkerung heraus." Was die Erhängung von 18 Opfern betraf, konstatierte er, dass "möglicherweise nach den Bekundungen der Zeugen Grausamkeit vorliegen" könnte, dies jedoch rechtlich unerheblich sei, da man dem beschuldigten Vorsitzenden des Standgerichts (SS-Sturmbannführer Hoffmann, d. A.), nicht nachweisen könne, dass er die Durchführung der Hinrichtung gebilligt hatte: "Zusammenfassend kann mithin aufgrund der getroffenen Ermittlungen nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, daß es sich bei der Verurteilung und Hinrichtung der 36 Personen um eine zulässige Repressalie handelte jedenfalls kann dies nicht bezüglich aller Personen ausgeschlossen werden. Da es sich im übrigen um Partisanen gehandelt haben kann, ist insgesamt dem Beschuldigten nicht nachzuweisen, daß er sich als Vorsitzender des Standgerichts des Mordes schuldig gemacht habe. Das Verfahren war deshalb einzustellen."

    Von all dem wusste Slobodan Mirdjic nichts, als er Anfang dieses Jahres dem Autor schrieb, dass sein Vater einer der Hingerichteten gewesen sei. Sein Vater, George Mirdjic, von Beruf Geometer, habe zum Zeitpunkt des Anschlags auf die deutschen Soldaten außerhalb Pancevos gearbeitet und sei nach seiner Rückkehr verhaftet worden. Im Verlauf eines späteren Gesprächs bat der heute 76-Jährige, ihm die Fotos von den Hinrichtungen zu zeigen. Beim Durchblättern brach er in Tränen aus. Er hatte seinen Vater erkannt. Aufrecht und mit Verachtung in den Augen, war George Mirdjic zum Galgen geschritten. 

Der Sohn bedankte sich. Für ihn war die Vergangenheit nun abgeschlossen, der Krieg endlich beendet.

      

11.2  Die schrecklichsten Tage in Kischker und der Batschka

    Die ersten Gräueltaten der Tito-Partisanen in Kischker 

      Am 15. Oktober 1944 kamen aus Altker (Zmajevo) einige Fahrzeuge, auf denen sich auch Frauen und Mädchen befanden; mit roten Fahnen, mit Sichel und Hammer bestickt, zogen sie - Kampflieder singend - in unsere Gemeinde ein. 

    Am 19. Oktober 1944 wurde die Gemeinde durch einen Ortskommissar mit einer stärkeren Milizgruppe übernommen. Kischker war von den Partisanen besetzt und hieß wieder: Backo-Dobro-Polje. Sämtliche männlichen Personen ohne Rücksicht auf ihr Alter und die weiblichen bis zu 60 Jahren wurden zur Arbeit verpflichtet. Die Hanffabriken und die Mühlen wurden in Betrieb gesetzt, das Vieh musste gefüttert werden. Die verlassenen Häuser wurden versiegelt. Jetzt wurde von den Gemeindebürgern erst wahrgenommen, dass sie in der eigenen Heimat Gefangene waren.

      Am 9. November 1944 wurde es sehr unruhig im Dorf. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer, dass die Partisanen in der Hauptgasse von Haus zu Haus gehen, Männer und Frauen abholen und in Gruppen ins Gemeindehaus treiben, wie es hieß, zum Verhör. So kamen 98 Personen zusammen und wurden im Gerichtssaal einem grausamen Verhör unterzogen. Danach in zwei Gruppen eingeteilt: Gruppe l = 78 Personen, Gruppe II = 20 Personen. Gruppe I wurde in der Nacht an den Bombentrichter - 45°30'04.4"N 19°39'17.9"E - in der Nähe des Kischkerer Bahnhofs getrieben, dort ermordet und verscharrt. Gruppe II wurde nach Werbaß getrieben und dort durch das Eingreifen eines russischen Offiziers entlassen. 

    Am 14. November 1944 wurden weitere 47 Personen abgeholt und ebenfalls einem gleichen Verhör unterzogen. 46 Personen wurden an der Ziegelei Heinz erschossen und in einer Mulde verscharrt. - 45°29'40.8"N 19°41'56.3"E -  Eine Person konnte entkommen.  

    Am 20. November 1944 wurden noch mal 14 Personen zusammen getrieben und nach einem  Verhör  am  Wasserableitungskanal  gegenüber  der  Frank'schen  Hanffabrik - 45°29'22.5"N 19°41'20.9"E - erschossen und verscharrt.

   Auf dem Rückweg vom Munitionstransport für die Russen, wurden 4 Kischkerer Männer in Alt-Siwatz und in Werbaß erschossen.

    Am 6. Dezember 1944 wurden alle männlichen Personen zusammen getrieben und in der Staatsschule eingesperrt. 55 davon kamen am 7. Dezember nach Neusatz ins Tabak-Magazin. 28 Mann wurden am 25. Dezember 1944 nach Russland zur Zwangsarbeit abgeschoben. Nur 10 Personen haben überlebt. Im März 1945 wurde der Ziegeloten mit dreißig Arbeitern in Betrieb gesetzt. Am 24. 5. 1945 wurde dann der größte Teil der noch nicht fest eingeteilten in der Staatsschule eingesperrt. Die Arbeitsunfähigen (alte Leute und Kleinkinder) = 285 Menschen in das Sterbelager Jarek gebracht.

     Am 4. September 1945 wurden die restlichen Deutschen eingesperrt. Lagerfrei blieben 79 Personen. Somit war die Gemeinde von den Deutschen geräumt.

     Im Oktober 1945 kamen aus den südlichen Teilen Jugoslawiens neue „Kolonisten“, denen man die Häuser zugeteilt hat. Unsere Menschen wurden dadurch in Kischker überflüssig und kamen in die Lager nach Werbaß, Tscherwenka, Gakowo, Kruschiwl, Rudolfsgnad, Mitrowitza, Subotica, Neusatz, Sombor und Karlsdorf. In diesen Lagern sind 341 Kischkerer den Hungertod gestorben. Die, die überlebten, sind bei Nacht und Nebel über die Grenze nach Ungarn geflüchtet und von dort nach Österreich oder in die Bundesrepublik weiter gezogen. 

Ein Irrweg begann, für die meisten Kischkerer mit einem glücklichen Ende. 


11.3    "Ein Volk ausgelöscht"      von Leopold Rohrbacher - Salzburg im August 1949


Die grausamste Zeit 1944 - 1948 in Kischker, der Batschka und den anderen Siedlungsgebieten der Donauschwaben. 

                                                                        "WENN BESTIEN WÜTEN"

Ein Volk ausgelöscht
Die Ausrottung des Donauschwabentums in Jugoslawien
merged.pdf (180.33MB)
Ein Volk ausgelöscht
Die Ausrottung des Donauschwabentums in Jugoslawien
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               - DEN OPFERN GEWIDMET -


Die Daheimgebliebenen, die sich keiner Schuld bewusst waren und immer in Frieden und Eintracht mit ihren Nachbarn jeglicher  Nationalität gelebt haben, mussten ein unvorstellbares Maß an Grausamkeiten und Bestialitäten ertragen - dem nur wenige lebend entronnen sind.


                       

Leider lernt die Menschheit nichts daraus!  

Jugo-Nostalgie und vergessene Massengräber 

https://www.deutschlandfunkkultur.de/serbien-jugo-nostalgie-und-vergessene-massengraeber.979.de.html?dram:article_id=371357 

11.4         Zur Charta der Heimatvertriebenen           Worte zum Tag der Heimat 2017 von Günther Vossler 

Am 6. August 1950 fanden sich vor der Ruine des damals noch zerstörten „Neuen Schlosses“ von Stuttgart ca. 150.000 Heimatvertriebene ein, um der öffentlichen Verkündigung der Charta der Heimatvertriebenen beizuwohnen.

Unterzeichnet wurde die Charta einen Tag zuvor, am 5. August 1950, im Kleinen Kursaal von Bad-Cannstatt. 

Die grundlegenden formulierten Ziele dieser Charta der Heimatvertriebenen sind: - Die deutschen Heimatvertriebenen beurkunden ihren Verzicht auf Rache und Vergeltung. - Die deutschen Heimatvertriebenen wollen die Herbeiführung eines freien und geeinten Europas nach Kräften unterstützen. - Die deutschen Heimatvertriebenen wollen sich durch harte und unermüdliche Arbeit am Wiederaufbau Deutschlands und Europas beteiligen. 

Prof. Norbert Lammert sagte zum 60. Jahrestag der Charta im Jahre 2010 in Stuttgart: „Die Charta der Heimatvertriebenen aus dem Jahre 1950 gehört zu den Gründungsdokumenten der Bundesrepublik Deutschland, sie ist eine wesentliche Voraussetzung ihrer vielgerühmten Erfolgsgeschichte. Die Charta ist deshalb von historischer Bedeutung, weil sie innenpolitisch radikalen Versuchungen den Boden entzog, außenpolitisch einen Kurs der europäischen Einigung und Versöhnung unter Einbeziehung der mittel- und osteuropäischen Nachbarn vorbereitete und wirtschafts- und gesellschaftspolitisch nicht nur die Integration von Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen, sondern über sie hinaus einen beispiellosen Wirtschaftsaufbau ermöglichte, der weltweit als „deutsches Wirtschaftswunder“ Anerkennung gefunden hat.“  

Im Jahre 1950 schrieben die Verfasser der Charta der Heimatvertriebenen als Schlusssatz und sozusagen als Vermächtnis: „Wir rufen Völker und Menschen auf, die guten Willens sind, Hand anzulegen ans Werk, damit aus Schuld, Unglück, Leid, Armut und Elend für uns alle der Weg in eine bessere Zukunft gefunden wird.“ Daran gilt es weiter zu arbeiten.

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11.4    Charta der deutschen Heimatvertriebenen          vom August 1950  

Im Bewußtsein ihrer Verantwortung vor Gott und den Menschen, im Bewußtsein ihrer Zugehörigkeit zum christlich-abendländischen Kulturkreis, im Bewußtsein ihres deutschen Volkstums und in der Erkenntnis der gemeinsamen Aufgabe aller europäischen Völker, haben die erwählten Vertreter von Millionen Heimatvertriebenen nach reiflicher Überlegung und nach Prüfung ihres Gewissens beschlossen, dem deutschen Volk und der Weltöffentlichkeit gegenüber eine feierliche Erklärung abzugeben, die die Pflichten und Rechte festlegt, welche die deutschen Heimatvertriebenen als ihr Grundgesetz und als unumgängliche Voraussetzung für die Herbeiführung eines freien und geeinten Europas ansehen. 


1. Wir Heimatvertriebenen verzichten auf Rache und Vergeltung. Dieser  Entschluß ist uns ernst und heilig im Gedenken an das unendliche Leid, welches  im besonderen das letzte Jahrzehnt über die Menschheit gebracht hat.
 

2. Wir werden jedes Beginnen mit allen Kräften unterstützen, das auf die Schaffung eines geeinten Europas gerichtet ist, in dem die Völker ohne Furcht und Zwang leben können. 

3. Wir werden durch harte, unermüdliche Arbeit teilnehmen am Wiederaufbau Deutschlands und Europas.  

 Wir haben unsere Heimat verloren. Heimatlose sind Fremdlinge auf dieser Erde. Gott hat die Menschen in ihre Heimat hineingestellt. Den Menschen mit Zwang von seiner Heimat trennen, bedeutet, ihn im Geiste töten.
  Wir haben dieses Schicksal erlitten und erlebt. Daher fühlen wir uns berufen zu verlangen, daß das Recht auf die Heimat als eines der von Gott geschenkten Grundrechte der Menschheit anerkannt und verwirklicht wird.
 
So lange dieses Recht für uns nicht verwirklicht ist, wollen wir aber nicht zur Untätigkeit verurteilt beiseite stehen, sondern in neuen, geläuterten Formen verständnisvollen und brüderlichen Zusammenlebens mit allen Gliedern unseres Volkes schaffen und wirken.

Darum fordern und verlangen wir heute wie gestern:

1. Gleiches Recht als Staatsbürger nicht nur vor dem Gesetz, sondern auch in der Wirklichkeit des Alltags.  

2. Gerechte und sinnvolle Verteilung der Lasten des letzten Krieges auf das ganze deutsche Volk und eine ehrliche Durchführung dieses Grundsatzes.  

3. Sinnvollen Einbau aller Berufsgruppen der Heimatvertriebenen in das Leben des deutschen Volkes.  

4. Tätige Einschaltung der deutschen Heimatvertriebenen in den Wiederaufbau Europas.

Die Völker der Welt sollen ihre Mitverantwortung am Schicksal der Heimatvertriebenen als der vom Leid dieser Zeit am schwersten Betroffenen empfinden.
Die Völker sollen handeln, wie es ihren christlichen Pflichten und ihrem Gewissen entspricht.

 Die Völker müssen erkennen, daß das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen wie aller Flüchtlinge, ein Weltproblem ist, dessen Lösung höchste sittliche Verantwortung und Verpflichtung zu gewaltiger Leistung fordert.
  Wir rufen Völker und Menschen auf, die guten Willens sind, Hand anzulegen ans Werk, damit aus Schuld, Unglück, Leid, Armut und Elend für uns alle der Weg in eine bessere Zukunft gefunden wird.

Stuttgart, den 5. August 1950  

           
 

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